Was beim Fußball England ist, trifft bei den Brieftauben auf Belgien zu. Die beiden Länder sind die Ursprungsländer der vielleicht doch nicht so unterschiedlichen Sportarten. Der Fußball ist zumindest im Amateurbereich das Hobby für zigtausend Menschen beiderlei Geschlechts. Dasselbe trifft beim Brieftaubenhobby zu. Hier, wie auch im Fußball, wird die früher absolute Männerdomäne immer mehr auch von Frauen und Mädchen wahrgenommen und das ist gut so. Was im Fußball absolut medienwirksam publiziert wird, trifft auf das Brieftaubenhobby doch nur sehr bescheiden zu.
Der Fußballverein stellt aus seinen aktiven Mitgliedern Mannschaften zusammen, die dann gegen Mannschaften anderer Vereine Fußball spielen und so ihrem Hobby frönen. Der Fußball, beginnend mit Jugendmannschaften bis zu Altherrenmannschaften, unterscheidet sich hauptsächlich von der Altersstruktur her. Diese Unterscheidung kennt das Brieftaubenhobby nicht. Die Mitglieder treten nicht in Mannschaften an, es wird auch keine Unterscheidung des Alters oder des Geschlechts vorgenommen. Jedes Mitglied steht mit seinen Tauben im Wettbewerb zu seinem Verein, den Mitgliedern in Reisevereinigungen bis hin zum Verband. Dies heißt im Klartext: die zehnjährige Susanne steht im Wettbewerb mit dem achtzigjährigen Alfons. Während beim Fußball der deutsche Meister aus der Bundesliga kommt, könnte z. B. der fünfzehnjährige Josef aus Hardt Deutscher Meister werden. Deutscher Meister im Brieftaubensport heißt aber auch ca. 60.000 Brieftaubenfreunde hinter sich zu lassen . . .
Wie oben bereits erwähnt, die zehnjährige Susanne bis hin zum achtzigjährigen Alfons. Das heißt: Altersgrenzen gibt es nicht. Was die Freunde des Brieftaubenhobbys vereint, ist die Liebe zur Kreatur. Niemand wird je Erfolg haben, der diese Voraussetzung nicht mitbringt. Die Brieftaube ist eine äußerst sensible Kreatur, die die Zuneigung des Züchters auch mit Zuneigung zurückgibt. Nicht umsonst haben gerade Mädchen und Frauen sehr gute Erfolge. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass gerade das weibliche Geschlecht hier Vorteile gegenüber dem männlichen Geschlecht hat.
Die Brieftaube wurde über Jahrzehnte aus der Felsentaube gezüchtet. Die Felsentaube hat in der Ägyptischen Geschichte bereits eine Rolle als Nachrichtenträger gespielt. Diese Eigenschaft des Heimfindevermögens wurde, beginnend in Belgien, gezielt in der Zucht laufend verbessert.
Das wohl wichtigste Merkmal ist die Intelligenz, die eine Auswertung der vom Erdmagnetfeld und Sonnenstand ausgehenden Daten entsprechend auswertet und damit den direkten Weg vom Auflassort zum Heimatschlag ermöglicht. Ebenso wichtige Faktoren sind die absolute Gesundheit sowie die körperlichen Voraussetzungen, um einen stundenlangen Nonstopflug zu meistern. Eine gut vorbereitete Brieftaube erreicht das Ziel Heimatschlag so wie ein sehr gut vorbereiteter Leistungssportler ohne große Ermüdungserscheinungen. Nur wer die Materie kennt, kann ermessen, welches Gefühl sich meldet, wenn seine Lieblingstaube aus großer Höhe im Sturzflug den Heimatschlag ansteuert und als Ausdruck der Freude noch ein oder zwei Ehrenrunden flügelklatschend dreht.
Durch gezielte Verpaarung erhofft jeder Züchter, aus Tieren des Eigenbestandes oder auch mit hinzugenommenen Tieren ein Optimum an Tauben zu züchten, die alle Voraussetzungen einer guten Brieftaube erfüllen. Gezüchtet wird hauptsächlich aus Tieren, die die Voraussetzungen bereits unter Beweis stellten. Wie heißt es doch so zutreffend: aus einem Ackergaul kann man kein Rennpferd züchten. Nichts gegen Ackerpferde, aber in diesem Fall sind eben Rennpferde gefragt.
10 Tage nach der Anpaarung legt die Täubin zwei Eier. 17 Tage werden diese Eier im Wechsel von beiden Geschlechtern bebrütet. Die Jungen schlüpfen blind und völlig hilflos und sind ganz auf die Eltern angewiesen. Das Wachstum ist in den ersten Tagen enorm. Bereits nach wenigen Tagen erreichen sie schon ein mehrfaches ihres Geburtsgewichts. Die Jungtiere werden von beiden Eltern gefüttert. Bereits nach 22–25 Tagen beginnen die Jungtiere, die Nahrung selbst aufzunehmen. Sie werden dann auch in einem separatem Raum untergebracht. Dort wachsen sie in der Gemeinschaft prächtig heran. Bald schon werden die ersten Flugversuche gemacht. Wenn die ersten Übungsflüge überstanden sind, kommt die eigentliche Jugendzeit der Tiere. In der Gemeinschaft fliegen sie oft bis zu mehreren Stunden am Stück. Manchem Züchter wird dabei manchmal bange, ob die Tiere in ihrem Übermut auch noch wissen, wo ihre Heimat ist. Dies ist aber den Tieren angeboren und ist auch die Voraussetzung ihres körperlichen und geistigen Aufbaus für ihre zukünftigen Aufgaben.
Der wohl interessanteste Teil des Jahres ist die Wettflugzeit. Diese Zeit ist in die Monate April bis September gelegt, wo auch die besten Wettervoraussetzungen sind. Begonnen wird meist mit Trainingsflügen kürzester Entfernung 5–20 km, um die Tiere wieder einzustimmen. Dabei werden so genannte alte Hasen mitgeschickt, die ihre Erfahrung auf die Jüngeren übertragen und zur sicheren Heimkehr wesentlich beitragen.
Die eigentlichen Wettflüge beginnen Anfang Mai. Bis Ende Juli stehen 12–14 Wettflüge auf dem Programm. Die Ent-fernungen liegen zwischen 150–650 km Luftlinie. Die Tiere werden von einem Spezialfahrzeug, dem so genannten -Kabinenexpress, an den von der Reisevereinigung vorgeschriebenen Einsatzstellen abgeholt und meistens in einer Nachtfahrt zum Bestimmungsort gebracht. Zu dem Spezialtransporter ist noch zu erwähnen, dass in den so genannten Boxen, ähnlich wie Schubladen, nur eine bestimmte Anzahl von Tieren verladen werden darf. Das Fahrzeug besitzt eine automatisch geregelte Belüftung sowie einen ausreichend großen Wassertank. Selbstverständlich ist auch für Futtervorrat gesorgt.
Der Fahrplan ist so gelegt, dass rechtzeitig vor dem Auflass das Fahrzeug am Bestimmungsort steht, um den Tieren genügend Zeit zu geben, die Flugroute bereits im Fahrzeug an Hand ihres Instinktes festzulegen.
Der Auflass erfolgt nur nach Freigabe des Auflassleiters in Abstimmung mit dem Fahrer. Der Auflassleiter hat die verantwortungsvolle Aufgabe, mittels deutschem Wetteramt und Internet festzulegen, welches der beste Zeitpunkt des Auflasses ist, um die Tiere vor Wetterunbilden zu bewahren und einen Heimflug ohne Hindernisse zu gewährleisten. Die größten Hindernisse sind Nebel, starker Regen und hohe Windstärken. Der eigentliche Wettflug beginnt mit dem Start, wenn der „Kabi“ seine Pforten öffnet und die Tiere den Weg in die Heimat antreten.
Auflasszeit, Ankunftszeit und Wegstrecke (gerade Linie vom Auflassort zum Heimatschlag) bilden die Daten zur Wettflugauswertung. Aus diesen Daten ergibt sich eine Fluggeschwindigkeit in Meter pro Minute. Die unterschiedlichen Entfernungen der einzelnen Heimatschläge werden in die Bewertung einbezogen. Die Entfernungsdaten werden von dem staatlichen Vermessungsamt geliefert und zwar auf den Meter genau. Die Registrierung und Zuordnung der Personaldaten der einzelnen Tiere erfolgt vor der Verladung in den Kabinenexpress. Die Ankunftszeit wird von dem einzelnen Züchter über eine Kontrolluhr oder eine elektronische Anlage ermittelt.
Sämtliche Daten werden nach dem Flug zusammengetragen und durch eine Verrechnungsstelle über EDV ausgewertet und ausgedruckt. Besondere Leckerbissen sind die vom Verband ausgeschriebenen Medaillenflüge in Bronze, Silber und Gold, die je nach Flugstrecke vergeben werden.
Hier muss der Züchter seine Tiere sehr genau kennen, denn die Tiere müssen vorher schriftlich benannt werden.
Neben der absoluten Gesundheit ist die Fütterung während der Vorbereitung, abgestimmt auf den betreffenden Flug, von größter Wichtigkeit. Wie bei der Fußballnationalmannschaft übernimmt dies der dafür auserkorene Ernährungswissenschaftler. Bei den Tauben ist dies jeder Züchter selbst, wobei beide das gleiche Ziel verfolgen, nämlich Top-Leute bzw. Top-Tiere in das Spiel zu schicken.
Die Struktur des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter (ca. 60.000 Mitglieder) beginnt mit dem Einzelmitglied. Es folgt der Verein, danach die Reisevereinigung, dann der Regionalverband und als oberste Stufe der Verband.
Neben den erwähnten Wettflügen finden in der Winterzeit auch Ausstellungen statt. Diese Ausstellungen sind in der Regel gekoppelt an die erbrachte Flugleistung. Dies bedeutet, dass nur Tiere mit entsprechender Leistung zur Ausstellung zugelassen werden. Die Bewertung bei diesen Ausstellungen erfolgt nur nach Leistungsmerkmalen wie Körperbau, Muskulatur, Qualität des Gefieders, wobei die Farbe des Gefieders keine Rolle spielt. Die Intelligenz der Tiere ist zwar nicht messbar, aber von erfahrenen Richtern zumindest erahnbar, was sich im Gesamteindruck des Tieres niederschlägt.
Sicher spielt die Geselligkeit auch eine große Rolle. Wie schon erwähnt, gibt es keine Altersgrenzen. Es bereitet immer wieder besondere Freude, wenn z. B. ein(e) Jungzüchter(in) alten Hasen bei einem Flug durch bessere Ergebnisse die Grenzen aufzeigt. Oft ist es der kleine Bestand und der damit enge Kontakt zu den Tieren, der besondere Leistung hervorbringt.
Wohl kein anderes Hobby ist in die Naturgesetze so eingebunden wie die Brieftaubenzucht und jeder Brieftaubenliebhaber weiß dies und muss wohl oder übel die Naturgesetze verstehen und akzeptieren. Ob beim Freiflug um den Heimatschlag oder auf der Wettflugstrecke, es gibt immer wieder Verluste durch den Habicht und den Wanderfalken. Jeder Brieftaubenzüchter freut sich, wenn seine Tiere hervorragende Leistungen zeigen. Es ist für ihn eine Bestätigung, wenn neben dem eingeschlagenen Zuchtziel – nämlich gute Tauben zu züchten – sich seine Tiere auch in bester Verfassung befinden. Diese körperliche und geistige Verfassung erarbeitet der Züchter zwischen den Flügen mit viel Fingerspitzengefühl.
Das Hobby Brieftauben ist zwar auch auf Leistung abgestimmt; die Freude über die Heimkehr der vielleicht etwas verspäteten Tauben ist aber sicher nicht kleiner. Zugleich gibt dies dem Züchter Ansporn, seine Tauben die nächste Woche noch besser vorbereitet auf den Wettflug zu schicken.
Was ist zu tun, wenn Sie eine verirrte Brieftaube gefunden haben?
Stellen Sie bitte fest, ob es sich wirklich um eine Brieftaube handelt. Brieftauben haben grundsätzlich einen Fußring.
Erstversorgung der Tauben
Eine flache Schale in ihrer Sichtweite aufstellen und mit Wasser füllen sowie Körner wie Erbsen, Linsen, Bohnen, Reis, Sonnenblumenkerne, Sesam oder Haferflocken hinstreuen. Durch diese Erstversorgung erholt die Taube sich schnell und fliegt meistens zu ihrem Heimatschlag zurück.
Sollte das Tier nicht zurückfliegen, die Taube bitte festsetzen, d. h. einen Wäschekorb überstülpen und sich an den „Vertrauensmann“ wenden.
Der „Vertrauensmann“ ist ein Brieftaubenzüchter in Ihrer Nähe, der sich verpflichtet hat, sich um verirrte oder zugeflogene Brieftauben zu kümmern.
Vertrauensmann suchen
Über die Internet-Verbindung www.brieftaube.de – Button „Taube gefunden“ wenden Sie sich bitte an unsere Vertrauensleute.
Jede Brieftaube trägt in der Regel einen Ring mit der Telefonnummer ihres Besitzers, meist am linken Bein. So können Sie sich direkt mit dem Züchter in Verbindung setzen. Zusätzlich trägt jede Brieftaube einen nummerierten Metallring am rechten Fuß. Über diesen Metallring lässt sich der Vorsitzende des jeweiligen Brieftaubenvereins ermitteln. Die Bezeichnung der Ring-Nummer setzt sich z. B. wie folgt zusammen
Selbstverständlich können Sie auch beim Verband Deutscher Brieftaubenzüchter e. V., Zugeflogenenabteilung, Tel. 02 01/8722425, die Adressen bzw. Telefonnummern unserer Vertrauensleute in Ihrer Region erfragen. Diese Vertrauensleute sind erfahrene Taubenzüchter, welche Ihnen gerne behilflich sein werden. Zugeflogene Tauben können schriftlich, per Fax, per E-Mail oder Online an den Verband Deutscher Brieftaubenzüchter e. V. gemeldet werden. Der Züchter wird benachrichtigt und außerdem erscheint die Meldung in der Verbandszeitschrift und bleibt für 4 Wochen im Internet veröffentlicht.
TAUBE GEFUNDEN?
Auflasszeit im WDR-Text
Berry/ Rolf Faust
Schacht Holland in Wattenscheid-Lohrheide.
Schacht Holland in Wattenscheid-Lohrheide.
Wattenscheid ist heute ein Stadtbezirk von Bochum. Von 1926 bis 1975 war Wattenscheid eine kreisfreie Stadt. 1975 wurde Wattenscheid im Zuge der nordrhein-westfälischen